Das DISG Modell, im englischen DISC, im Deutschen DISG, gehört zu den bekanntesten Modellen, wenn es um die Analyse von Verhalten geht – doch wird es oft missverstanden und / oder fehlerhaft interpretiert. Viele glauben, es beschreibe die Persönlichkeit eines Menschen, dabei geht es vielmehr um das, was wir im Alltag wahrnehmen: Das Verhalten.
Das Modell zeigt, wie Menschen sich in unterschiedlichen Situationen präsentieren. Dabei kann das gezeigte Verhalten vom eigentlichen Charakter abweichen. Und das kommt häufiger vor, als so mancher es sich denkt.
In diesem Beitrag erfährst du nicht nur, warum das DISG Modell weit mehr ist als ein simples Kategorisierungssystem, sondern auch, wie es dir helfen kann, menschliches Verhalten in all seinen Facetten besser zu verstehen.
Das DISG Modell
Das DISG Modell ist das wohl bekannteste Modell im Bereich der Persönlichkeitsanalysen, wird jedoch oft unzureichend verstanden und viel zu oft fehlerhaft interpretiert. Anders als viele glauben, beschreibt das Modell nicht die Persönlichkeit im Sinne von Traits oder stabilen Eigenschaften, sondern das Verhalten.
Was sind Traits?
Traits sind die stabilen, überdauernden Persönlichkeitsmerkmale, die das Verhalten einer Person langfristig prägen und in verschiedenen Situationen relativ konstant bleiben.
Es geht also um den Auftritt und die Wirkung einer Person in unterschiedlichen Situationen. Dieses Verhalten kann je nach Kontext und emotionalen Zuständen (States) durchaus von der eigentlichen Persönlichkeit abweichen. Verhalten ist gelernt und wird jeweils von der Reaktion des Umfelds beeinflusst.
Was sind States?
States sind die kurzfristigen, situationsabhängigen Zustände einer Person, die das momentane Verhalten beeinflussen und sich je nach äußeren Umständen oder Emotionen ändern.
Historischer Hintergrund: Marston und Jung
Das DISG Modell wurde in den 1920er Jahren von William Moulton Marston entwickelt, einem amerikanischen Psychologen, der auch als Erfinder des Lügendetektors bekannt wurde. Marston baute auf den Theorien von Carl Gustav Jung auf, einem der einflussreichsten Persönlichkeitspsychologen seiner Zeit.
Jung vertrat die Ansicht, dass menschliches Verhalten durch bestimmte Archetypen und psychische Strukturen geprägt ist. Marston kombinierte diese Ideen mit seiner eigenen Forschung über menschliches Verhalten und entwickelte das DISG Modell, das sich auf vier grundlegende Verhaltensdimensionen konzentriert.
Während Jung sich hauptsächlich mit den unbewussten Prozessen und Archetypen beschäftigte, richtete Marston seinen Fokus auf das sichtbare Verhalten und die Auswirkungen, die dieses Verhalten auf andere hat. Er unterschied eben nicht zwischen stabilen Persönlichkeitsmerkmalen, sondern untersuchte, wie Menschen in verschiedenen Situationen handeln und auftreten. Seine Arbeit ist die Grundlage der heutigen DISG Persönlichkeitsanalysen.
Die vier Dimensionen des DISG Modells
Das DISG Modell beschreibt vier Dimensionen menschlichen Verhaltens:
- D wie Dominanz: Wie dominant tritt die Person auf? Dies zeigt sich sehr gut im Umgang mit Problemen und Herausforderungen.
- I wie Initiative: Wie verhält sich die Person gegenüber Menschen und Kontakten, also gegenüber unbekannten und bekannten Personen?
- S wie Stetigkeit: Wie beständig verhält sich die Person üblicherweise? Wie zeigt sich die Person im Hinblick auf Geschwindigkeit?
- G wie Gewissenhaftigkeit: Wie verhält sich die Person im Umgang mit Widerständen? Wie ist ihr Umgang mit Regeln und Vorgaben?
Im ursprünglichen DISC Modell steht
- D für „Dominance“,
- I für „Influencing“,
- S für „Steadiness“ und
- C für „Compliance.
Das typische Verhalten der (YouTube) Influencer entspricht übrigens dem „I“ des Modells nahezu idealtypisch. Im Deutschen wurde aus dem „Influencing“ die „Initiative“, um in der Buchstabenfolge zu bleiben. „Beeinflussung“ entspricht dem tatsächlich gezeigten Verhalten des I jedoch sehr viel mehr. Aus „Compliance“ wurde „Gewissenhaftigkeit“. Dabei handelt es sich um eine leider sehr unpräzise Übersetzung der Skala, die in der Interpretation gerne dazu führt, regelkonformes Verhaltens mit einer gewissenhaften Persönlichkeitsstruktur gleichzusetzen.
Insgesamt ist es wichtig festzuhalten, dass jede Person eine individuelle Ausprägung der vier Dimensionen in sich trägt. Es gibt also nicht den D-Typen (Roter Typ) oder den S-Typen (Grüner Typ).
Das DISG Modell beschreibt das Verhalten als Kombination der individuellen Ausprägung der vier Dimensionen und das treffsicher.
Praxistipp
Eventuell hast du bereits eigene Erfahrungen mit einem “DISG Test” gemacht und stehst dem Modell daher – wie viele unserer Kunden – erst einmal kritisch gegenüber.
Behalte bei aller Skepsis bitte im Blick, dass zahlreiche, auch renommierte Anbieter, DISG fehlerhaft anwenden. Sie beschreiben menschliches Verhalten in Schubladen und begründen dies mit der DISG Theorie.
Unsere Empfehlung ist es, sich von solchen Anbietern zu distanzieren und sich auf die Anbieter zu verlassen, die das DISG Modell als beschreibendes Modell für Verhalten verstanden haben und sich damit auf alle Fragestellungen in Hinblick auf Auftritt und Wirkung konzentrieren.
TC Experience® Impact und das DISG Modell
Ein Beispiel für eine solche Analyse ist unser TC Experience® Impact. TCX Impact ist eine Persönlichkeitsanalyse, die speziell für den Einsatz in Unternehmen entwickelt wurde und auf der Theorie des DISG Modells beruht.
TCX Impact erfasst die vier Dimensionen als Selbsteinschätzung in einem Online-Fragebogen.
Dominanz (D): Umgang mit Problemen und Herausforderungen
Personen mit einer hohen D-Ausprägung Richtung „Machen“ zeichnen sich durch eine entschlossene und zielgerichtete Herangehensweise an Probleme und Herausforderungen aus. Sie neigen dazu, schnell Entscheidungen zu treffen und aktiv zu handeln. Diese „Macher“ wirken auf ihre Umwelt oft fordernd und können sogar aggressiv erscheinen, da sie darauf bedacht sind, ihre Ziele ohne Verzögerung zu erreichen. Ein Beispiel: In einer Krisensituation im Unternehmen, in der sofortige Entscheidungen getroffen werden müssen, wird ein „Macher“ ohne zu zögern Maßnahmen ergreifen, klare Anweisungen geben und sofortige Resultate verlangen.
Personen mit einer hohen D-Ausprägung Richtung „Reflektiert“ hingegen gehen mit Problemen und Herausforderungen wesentlich überlegter und vorsichtiger um. Sie analysieren die Situation gründlich, bevor sie handeln, und tendieren dazu, alle Aspekte sorgfältig abzuwägen. Ihre besonnene Art kann dazu führen, dass sie zögerlich oder unentschlossen wirken, was aber auf ihr Bedürfnis zurückzuführen ist, potenzielle Risiken zu minimieren. In derselben Krisensituation würde eine reflektierte Person eher abwarten, alle relevanten Informationen sammeln und erst dann einen wohlüberlegten Plan zur Lösung des Problems präsentieren.
Personen mit einer mittleren D-Ausprägung sind in der Lage, ihr Verhalten situativ anzupassen und in beide Richtungen zu gehen. Sie können in akuten Situationen schnell handeln, wenn es erforderlich ist, aber auch innehalten und nachdenken, wenn die Situation eine überlegte Entscheidung erfordert. In der beschriebenen Krisensituation könnten sie sofort handeln, wenn schnelles Eingreifen gefordert ist, sich aber auch die Zeit nehmen, um die Optionen zu prüfen, falls die Umstände dies erlauben.
An dieser Stelle ist festzuhalten, dass es keine „guten“ oder „schlechten“ Ausprägungen gibt. Jede D-Ausprägung bringt Vor- und Nachteile mit sich.
Initiative (I): Menschen und Kontakte
Personen mit einer hohen I-Ausprägung in Richtung „Aufgeschlossen“ zeichnen sich durch ein äußerst geselliges und optimistisches Verhalten aus. Sie sind offen für neue Begegnungen, gehen enthusiastisch auf andere Menschen zu und wirken oft mitreißend. Ihre Ausdruckskraft und Energie machen sie zu natürlichen Kommunikatoren, die leicht Kontakte knüpfen und für ihre Ideen begeistern können. In einer Situation, in der ein Team neu zusammengestellt wird, wird eine aufgeschlossene Person proaktiv Gespräche suchen, schnell Verbindungen knüpfen und durch ihre positive Art das gesamte Team motivieren.
Personen mit einer hohen I-Ausprägung in Richtung „Zurückhaltend“ treten dagegen wesentlich introvertierter und vorsichtiger im Umgang mit Menschen auf. Sie neigen dazu, Kontakte eher distanziert und abwartend zu gestalten, was auf Außenstehende oft verschlossen oder kritisch wirken kann. Ihr Verhalten ist eher realistisch und weniger von Enthusiasmus geprägt, da sie potenzielle Risiken oder Konflikte in sozialen Interaktionen bedenken. In derselben Teamsituation würde eine zurückhaltende Person sich zunächst im Hintergrund halten, die Dynamik beobachten und erst nach sorgfältiger Abwägung der sozialen Strukturen aktiv auf andere zugehen.
Personen mit einer mittleren I-Ausprägung bewegen sich situativ zwischen diesen beiden Polen. Sie können offen und enthusiastisch auftreten, wenn die Situation dies erfordert, beispielsweise bei der Vorstellung eines neuen Projekts, und sich gleichzeitig zurückhaltend und abwartend verhalten, wenn sie sich in einem ungewohnten oder riskanten sozialen Umfeld befinden. In der Teamsituation könnten sie je nach Bedarf entweder proaktiv auf andere zugehen oder sich zunächst beobachtend im Hintergrund halten.
Stetigkeit (S): Geschwindigkeit und Beständigkeit
Personen mit einer hohen S-Ausprägung in Richtung „Verlässlich“ zeichnen sich durch ein geduldiges, beständiges und verlässliches Verhalten aus. Sie agieren ruhig und bedacht, was ihnen oft das Vertrauen ihrer Mitmenschen einbringt. Diese Personen handeln ermutigend und mitfühlend, wobei sie sich durch ihre freundliche und entspannte Art auszeichnen. In einer Arbeitssituation, in der langfristige Ziele verfolgt werden, übernimmt eine verlässliche Person gerne die Rolle des Stabilitätsankers im Team. Sie agiert ruhig und kontinuierlich, wodurch sie sicherstellt, dass Aufgaben zuverlässig und ohne Hektik erledigt werden.
Personen mit einer hohen S-Ausprägung in Richtung „Dynamisch“ hingegen zeigen ein aktives und flexibles Verhalten. Sie sind anpassungsfähig und bereit, Veränderungen anzunehmen, und treiben Prozesse voran. Dynamische Personen handeln oft schneller und drängen auf zügige Fortschritte. In derselben Arbeitssituation würde eine dynamische Person energisch daran arbeiten, Projekte schnell voranzutreiben, während sie flexibel auf Änderungen reagiert. Diese Menschen können manchmal hektisch wirken, sind aber dafür bekannt, rasch Ergebnisse zu liefern.
Personen mit einer mittleren S-Ausprägung können ihr Verhalten situativ anpassen. Sie sind in der Lage, in stabilen und langfristig orientierten Situationen verlässlich und beständig zu handeln, aber auch dynamisch und flexibel zu agieren, wenn schnelles Handeln gefragt ist. In der Arbeitssituation könnten sie, je nach den Anforderungen, entweder geduldig und kontinuierlich vorgehen oder rasch und anpassungsfähig auf neue Herausforderungen reagieren.
Gewissenhaftigkeit (G): Regeln und Widerständen
Personen mit einer hohen G-Ausprägung in Richtung „Systematisch“ verhalten sich präzise und regelkonform, insbesondere wenn es um den Umgang mit Regeln und Widerständen geht. Sie agieren vorsichtig und besonnen, hinterfragen Vorgaben und setzen sich analytisch mit Problemen auseinander. Diese Menschen arbeiten gerne strukturiert und halten sich an formale Prozesse, was ihnen hilft, Fehler zu vermeiden und konsistente Ergebnisse zu erzielen. In einer Situation, in der komplexe Regeln oder Verfahren beachtet werden müssen, wird eine systematische Person sorgfältig und genau vorgehen, um sicherzustellen, dass alle Vorschriften eingehalten und mögliche Risiken minimiert werden.
Personen mit einer hohen G-Ausprägung in Richtung „Pionierhaft“ dagegen verhalten sich weniger regelkonform und suchen stattdessen nach innovativen und unkonventionellen Lösungen. Sie tendieren dazu, eigene Wege zu gehen und etablierte Regeln zu hinterfragen oder sogar zu umgehen, um kreative Lösungen zu finden. Diese Menschen wirken hin und wieder draufgängerisch und handeln informell, was sie in herausfordernden Situationen schnell reagieren lässt, aber auch ein gewisses Chaos erzeugen kann. In derselben Situation, in der Regeln beachtet werden müssen, würde eine pionierhafte Person versuchen, eine Abkürzung oder ein Schlupfloch zu finden, um schneller zum Ziel zu gelangen, ohne sich strikt an bestehende Vorgaben zu halten.
Personen mit einer mittleren G-Ausprägung können sich flexibel sowohl systematisch als auch pionierhaft verhalten, je nach Situation und den Anforderungen. Sie sind in der Lage, in stabilen, regelorientierten Umgebungen präzise und besonnen zu handeln, können jedoch auch innovativ werden, wenn kreative Lösungen gefragt sind. In der beschriebenen Situation würden sie die Regeln analysieren und befolgen, aber auch offen für alternative Wege sein, falls die Umstände dies zulassen.
Fazit
Ein häufiges Missverständnis beim DISG Modell ist, dass es Menschen in starre Kategorien oder „Schubladen“ einteilt. In Wahrheit ist das Modell äußerst flexibel und beschreibt die Art und Weise, wie Menschen sich in verschiedenen Situationen verhalten. Jeder Mensch verfügt über alle vier Verhaltensdimensionen in unterschiedlicher Ausprägung. Das bedeutet, dass sich das Verhalten einer Person niemals vollständig durch eine auf den ersten Blick erkennbare Dimension beschreiben lässt, sondern immer durch die individuelle Mischung aller vier Dimensionen. Diese Verhaltensmuster sind auch nicht unveränderlich, sondern können sich je nach Kontext, emotionalem Zustand oder Anforderungen einer Situation anpassen.
Das DISG Modell dient somit nicht dazu, die Persönlichkeit einer Person in festgelegte Kategorien zu pressen, sondern es beschreibt Auftritt und Wirkung in verschiedenen Situationen. Es ermöglicht ein tieferes Verständnis dafür, wie Menschen in bestimmten Kontexten agieren und wie sich ihr Verhalten je nach Umfeld und emotionalen Einflüssen verändert.
Außerdem hilft es dabei, Menschen besser kennen und verstehen zu lernen und fördert damit ein gutes Miteinander im privaten und beruflichen Kontext.